Hörner im Laufstall - so geht’s! Stallbau - Herdenführung - Management
Rückblick auf zwei eintägige Fachexkursionen am 26. Juni 2019 im Raum Rosenheim und am 27. Juni 2019 im Raum Ansbach - Dinkelsbühl
Hörner haben ihre Bedeutung, zum Beispiel für die Gestik und Kommunikation der Rinder in der Herde. Wie die Haltung horntragender Rinder im Laufstall gelingen kann, zeigten Praktiker auf ihren Hofstellen in Oberbayern und Mittelfranken. Insgesamt 71 Teilnehmer an beiden Tagen, darunter gleichermaßen Landwirte, Berater, Planer, Vertreter aus Forschung sowie Multiplikatoren informierten sich vor Ort zu den verschiedenen Haltungskonzepten und diskutierten die Gegebenheiten gemeinsam mit Demeter-Berater Ulrich Mück.
Sowohl dem Tierwohl, als auch der Arbeitssicherheit kann demnach Rechnung getragen werden. Hierbei sind jedoch einige Aspekte besonders zu beachten: Übergeordnetes Ziel muss eine ruhige Herde sein. Geeignete stallbauliche Maßnahmen schaffen günstige Voraussetzungen. Außerdem haben Herdenführung und Herdenmanagement großen Einfluss, womit die Halter horntragender Milchkühe ungünstige, stallbauliche Gegebenheiten sogar teilweise wieder ausgleichen können.
Auf der Fachexkursion wurden praktikable Stallbaulösungen besichtigt und die Betriebsleiter berichteten aus ihren langjährigen Erfahrungen zur Haltung und dem Umgang mit horntragenden Kühen. Herr Mück erläuterte die grundsätzlichen Aspekte und Kennzahlen zum Stallbau und der Haltung an konkreten Beispielen vor Ort. Entsprechende Kenngrößen sind auch im Management-Tool "Werkzeugkasten für die Haltung horntragender Milchkühe" frei abrufbar (Werkzeugkasten für die Haltung horntragender Milchkühe im Laufstall).
Die Exkursionen wurden im Auftrag der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) vom Demeter Erzeugerring im Landeskuratorium für pflanzliche Erzeugung in Bayern e.V. (LKP) ausgerichtet und gemeinsam mit den Erzeugerringen Bioland, Naturland und Biokreis umgesetzt. Die ALB unterstützte die beiden Fachexkursionen als Kooperationspartner. Die Teilnahme war kostenlos. An-, Weiter- und Abreise erfolgten mit privaten PKW's.
Auf dieser Seite berichten wir zum Verlauf der beiden Exkursionstage in Auszügen und mit zahlreichen Bildern und Impressionen. In Zusammenarbeit mit Studierenden der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT) sowie Partnern von Demeter Erzeugerring und LfL wurden außerdem alle wichtigen Praxiserfahrungen und Erkenntnisse aus beiden Tagen zum Nachlesen und mit vielen anschaulichen Bildbeschreibungen in einem Beratungsblatt für Sie zusammengefasst. Die Veröffentlichung finden Sie unter www.alb-bayern.de/ba5.
PROGRAMMPUNKTE
Programmleitung: Ulrich Mück, Fachberater im Demeter-Erzeugerring
An beiden Tagen eröffnete Herr Mück die Exkursionen mit allgemeinen Aspekten zum Umgang mit horntragenden Kühen. Innerhalb der Herde besteht grundsätzlich eine soziale Rangordnung. Hochrangige Kühe genießen innerhalb der Herde eine Vorrangstellung (Futterplatz, Liegefläche, Laufgang, Tränke, Schattenplatz u.a.). Aus dieser Vorrangstellung heraus beanspruchen sie für sich beispielsweise das Recht, als erstes und das beste Futter zu bekommen. Niederrangige Kühe ordnen sich den im Rang höheren Tieren unter. Sie gehen ihnen, wennmöglich, aus dem Weg.
Laufställe für horntragende Milchkühe sollten Ausweichmöglichkeiten bieten und deshalb besonders im Warte- und Fressbereich etwas großzügiger gestaltet sein. Zudem ist eine extra Bucht für die Separierung von Rindern aus der Herde anzuraten. Am Futtertisch sollte ein hörnergeeignetes Selbstfang-Fressgitter eingebaut werden. Die Fixierung während des Fressens am Futtertisch ermöglicht es, die herdengemäßen Hoheitsansprüche und Verdrängungen durch die hochrangigen Kühe zu unterbinden. Zudem entzerrt häufiges Anschieben des Futters bzw. Ad-libitum-Fütterung die Futteraufnahme und sorgt dafür, dass auch rangniedere Kühe ausreichend Futter aufnehmen.
Hochrangige Kühe lassen die im Rang niederen Tiere in der Regel in Ruhe, sofern sie in möglichst allen Belangen ihre Ansprüche erfüllt sehen, sich von den Niederrangigen nicht gestört fühlen und diese keine für die hochrangige Kuh sichtbar bessere Behandlung erfahren als sie selbst (z.B. Kraftfutterzuteilung).
Ist einer dieser Aspekte allerdings nicht erfüllt, steht das im Widerspruch zum Rang der Kuh in der Herde. Hochrangige Tiere können eine schlechtere Behandlung nicht begreifen - sie fühlen sich "gekränkt" und werden niederrangigen Tieren gegenüber in der Folge aggressiv. Bei behornten Kühen kann das zu schwerwiegenden Verletzungen führen. Mittels Stallbau, Herdenführung und Management lässt sich dem konzeptionell gegensteuern.
1. Tag: 26. Juni 2019 im Raum Rosenheim
1. Betrieb: Markus und Veronika Eichler (Bioland), Aying
- 35 Milchkühe, Fleckvieh
- 2017 Umbau von Anbindestall zu Liegeboxen-Laufstall mit Laufhof
- Schmaler Futtertisch, Anschieberoboter
- Automatisches Melksystem Fullwood
- Weidebetrieb
- Milchautomat
Der Betrieb Eichler verfügt über arrondierte Weideflächen. Weidehaltung entpannt die Situation grundlegend. Bei Herden mit ausgiebig Weidegang kennen sich die Tiere gut, was sich Herrn Mück zufolge meist auch positiv in Bezug auf die Herdenruhe im Winter auswirkt. Im Forschungsprojekt "Hörner im Laufstall" zeigte sich, dass im Winter im Stall etwa 10mal mehr hornbedingte Schäden an den Tieren auftraten, als im Sommer auf der Weide.
Für Ruhe in der Herde spielt der Freßbereich eine zentrale Rolle. Im umgebauten Anbindestall des Betriebes sorgt ein Anschieberoboter für ständiges Futterangebot am schmalen Futtertisch. Während der Fütterungszeiten werden die Kühe durch Selbstfangfressgitter vorübergehend fixiert. Etwas mehr Freßplätze bei gleicher Tierzahl würde die Situation weiter entspannen. Optimal wären 1,1 Freßplätze pro Tier.
Um die Gefahr zu mindern, dass niederrangige Tiere in Sackgassen getrieben und dort attakiert werden, sind die Laufgänge im Stall so angeordnet, dass ein Rundumlauf gut möglich ist. Die vier im Stall bestehenden Sackgassen baulich zu vermeiden, war aufgrund der Umbaulösung nicht praktikabel. Die Laufgänge sind an jeder Stelle breit genug, sodass für rangniedere Kühe das Ausweichen kein Problem darstellt. Tränken sind im Stall an mehreren Stellen angeordnet und zwar so, dass sie die Tiere beim Laufen und Ausweichen nicht behindern. Die Tränken ragen also nicht weit in die Laufgänge hinein.
Agressiven "Problemkühen" werden ggfs. die Hornspitzen mit einer Gartenschere um 1 bis 2 cm gekürzt und mit einer Feile abgerundet. Dies bleibt aber die Ausnahme.
2. Betrieb: Georg Kronast (Demeter), Raubling
- 28 Milchkühe, Fleckvieh,
- Liegeboxen-Laufstall mit integriertem Laufhof nach Modulbausystem Grub-Weihenstephan, Bj. 2010
- Fischgräten-Melkstand 2x4
- Vollweidebetrieb
- Eigener Stier
- Muttergebundene Kälberhaltung
- Milchautomat
Der Betrieb Kronast hält seit jeher behornte Kühe und möchte das auch beibehalten. Die Herde umfaßt 28 Tiere. Das zur Verfügung stehende Futterangebot begrenzt eine weitere Aufstockung des Bestands. Der Vollweidebetrieb erzielt eine Grundfutterleistung von rund 5.000 kg pro Tier und Jahr. Der Heuanteil an der Futterration liegt bei 25 %. Auf den Einsatz von Kraftfutter wird verzichtet.
Frisches Heu ist Rauhfutter mit guter Struktur und langsam verdaulichen Kohlehydraten. Der Einsatz verringert bei den Rindern den Pansendurchsatz und führt neben einer Verbesserung der Futterverwertung und einer höheren Futtereffizienz außerdem zu einer besseren Pansengesundheit / Tiergesundheit. Das trägt bei den Tieren in der Herde zu mehr Ruhe bei, macht sie ausgeglichener und beugt aggressivem Verhalten vor.
Der Stall wurde im Jahr 2010 nach dem Modulbausystem Grub-Weihenstephan gebaut. Es besteht ein separates Melkhaus, das über einen Laufhof mit dem Stall verbunden ist. Das Gesamtkonzept mit den lose zueinander angeordneten Statikmodulen wurde an der LfL, Institut für Landtechnik und Tierhaltung (Architekt Jochen Simon) entwickelt. Die Konzeptumsetzung und der Vertrieb des Modulbausystems laufen über die ALB. Betriebsleiter Kronast hat sich vor allem wegen der einfachen Bauweise für dieses System entschieden. Weitere Vorteile aus Sicht des Landwirts:
- Geringe Baukosten (8.300 € pro Kuhplatz, Bj. 2010)
- Großes Platzangebot; zwei einreihige Liegeplätze sorgen für besonderen Ruhekomfort
- Gute Erweiterbarkeit
- Anordung der Liegeplätze mit Rundumlauf für Ausweichmöglichkeiten der Tiere in zweierlei Weisen
- Offenes Dach und seitlich offene Wände bieten gute Durchlüftung, gute Raumluft und vergleichsweise kühles Raumklima an heißen Sommertagen; Besucher konnten sich davon überzeugen
- Offenes Dach bereitet bei Schneefall keine Probleme; lediglich bei Starkregenereignissen wird der Futtertisch durchnässt und muss dann anschließend gereinigt werden; etwa dreimal pro Jahr ist das erforderlich
Dezentral und in mehreren Durchgangsbereichen des Laufstalls befinden sich schmale Doppeltränken. Diese sind kompakt, wodurch der Durchgang offen bleibt. Sie mussten für ausreichend Bewegungsfreiheit der behornten Kühen mit genügend Wandabstand montiert werden.
Hörner haben auf dem Betrieb bisher keine Probleme bereitet.
3. Betrieb: Andreas Neichl (Demeter), Tuntenhausen
- 43 Milchkühe, Fleckvieh
- Liegeboxen-Stall, Bj. 1996
- Fischgräten-Melkstand 2x5
- Vollweide- und Heumilch-Betrieb
- Eigener Stier
- Seit 18 Jahren muttergebundene Kälberaufzucht
- Milchautomat
Mit 7,5 Jahren weisen die Milchkühe auf dem Betrieb Neichl ein hohes Durchschnittsalter auf. Der Betrieb praktiziert erst seit dem Jahr 2016 Weidehaltung. Die 20 Jahre zuvor, ohne Weidehaltung, gab es aber auch keine Probleme mit der Haltung horntragender Kühe.
Am Futtertisch beträgt die Freßplatzbreite lediglich 78 cm. Optimal wären 85 bis 95 cm. Bei zu geringer Freßplatzbreite steigt die Wahrscheinlichkeit, dass rangniedere Tiere von benachbart stehenden ranghöhren Tieren beim Fressen behindert werden. Auf dem Betrieb ist das jedoch nicht der Fall, weil aufgrund ausreichend vieler Fressplätze (1,1 Freßplätze pro Tier) rangniedrige Tiere bei unbequemen Nachbarn problemlos auf entferntere Plätze ausweichen können.
Zum Erfrischen und Abkühlen ist den Tieren im Freien und im Bereich des Melkstands eine Kuhdusche geboten.
2. Tag: 27. Juni 2019 im Raum Ansbach - Dinkelsbühl
4. Betrieb: Betrieb Siegfried Meyer (Demeter), Opfenried nahe Hesselberg
- 37 Milchkühe, Fleckvieh / Holstein-Friesian
- Liegeboxen-Laufstall
- Umbaulösung mit Laufhof und überdachtem Futtertisch
- 2x4 Fischgräten-Melkstand
- Weidebetrieb
- Eigener Stier
- Muttergebundene Kälberhaltung
- Holunder, Mais- und Getreidebau
Der Charakter der Kühe wird vererbt. Innerhalb von 10 Jahren wurden am Betrieb Meyer agressive Linien aus der Herde konsequent herausgezüchtet.
Bei der Weidehaltung legen die Kühe am Tag Strecken von drei bis fünf Kilometer zurück. Die Bewegung trägt zur Entspannung der Tiere bei und macht die Herde ruhiger. Auch Ackerland wird beweidet. An den Feldrändern werden hierbei auch die Hecken beweidet. Zur Entspannung im Winter werden die Tiere bei Frost ebenalls gelegentlich auf die Weide gelassten. Der Entspannungseffekt in der Herde hält danach für etwa zwei Wochen an.
Zur Beschäftigung befinden sich im Laufstall Tränken, Bürsten, Lecksteine und eine Heuraufe, an der die Tiere das Futter von oben herunterzupfen (entsprechend dem Laub von den Bäumen in der freien Natur).
Die Herdenführung funktioniert laut Betriebsleiter auch über die Futterzuteilung im Stall. Hochrangige Tiere sollen das Gefühl haben, das beste Futter zu bekommen und mengenmäßig zumindest nicht weniger als niederrangigere Kühe. Herrn Meyer zufolge beschäftigen sich seine Kühe gerne damit, Futter zu selektieren. Daher werden im Stall Futtermischungen verabreicht. Das Mischen und die dadurch erreichte Beschäftigung der Tiere, zu selektieren, trägt zur Ruhe in der Herde bei und vermindert Konflikte am Futtertisch.
5. Betrieb Keim „Der kleine Bauernhof“ (Bioland), Feuchtwangen
- Milchkühe, Fleckvieh
- Neubau Couchettenstall 2016
- Profilierte Schieber-Entmistungsbahn
- Fischgräten-Melkstand 2x4
- Heumilch-Betrieb
Der Betrieb Keim hatte schon immer Kühe mit Hörnern. 2016 wurde auch der Stallneubau auf diese Haltungsweise ausgerichtet. Hierbei wurde zugleich von Silage auf reine Heufütterung umgestellt. Der Betrieb liefert Heumilch an die Dorfkäserei Geifertshofen. Die Strukturwirkung des Heus geht über die langsame Verdaulichkeit des Rohfaseranteils hinaus. Die Stacheligkeit des Futters fördert die Speichelbildung und verbessert zusätzlich die Verdauung. Ziel am Betrieb ist das Verabreichen von abwechslungsreichen Futterrationen (rohfaserreich, kräuterreich, auch Grünroggen wird gelegentlich gefüttert). Gutes und abwechslungsreiches Futter fördert dem Betriebsleiter zufolge die innere Zufriedenheit der Tiere und beugt aggressivem Verhalten vor.
M. Müller und P. Wagner - ALB, Freising im Juli 2019
Veranstalter
- Demeter Erzeugerring im Landeskuratorium für pflanzliche Erzeugung in Bayern e.V. (LKP)
- Erzeugerringe Bioland, Naturland und Biokreis (Mitveranstalter)
Auftraggeber
Institut für Ökologischen Landbau, Bodenkultur und Ressourcenschutz (IAB) der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL)
Kooperationspartner
ALB Bayern e.V.