2. Online-Seminar der vierteiligen Seminarreihe "Regionales Bauen in der Landwirtschaft" am 25. November 2021
BERICHT, TEIL 1
Ziegenstall mit Käserei
Referenten: Landwirt Oliver Post aus Buchenberg bei Kempten (OA) und Bauberater Konrad Knoll vom AELF Weilheim
Oliver Post ist Demeter-Landwirt und bewirtschaftet gemeinsam mit seiner Frau den Hof in Kreuzthal, Lkr. Oberallgäu. Gleichzeitig ist Post Vorstand der Adelegg-Stiftung, eine Bürgerstiftung, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Landschaft offenzuhalten. In dem fast zu 95 % bewaldeten Gebiet der Adelegg, einem in sich geschlossenen Naturraum im Dreieck zwischen Kempten, Isny und Leutkirch im Allgäu, wächst der Wald auf die Bevölkerung zu. Offenlandflächen sind für das Dorf wichtig. Ziegenhaltung trägt dazu bei.
Der Hof umfasst 110 ha Grünland, davon 70 ha Steillagen. Familie Post hält 60 Milchziegen und Nachzucht im Vollerwerb. Im Sommer werden die Wiesen mit Ziegen und circa 130 Stück Jungvieh als Stellvieh beweidet. Die kleine Hinterwälder Mutterkuhherde in Reinzucht wird gebraucht. Mit eigenem zahmem Vieh kann man Umzüge auf stark zerklüfteten, sehr kleinen Flächen einigermaßen sicher zwischen verschiedenen Weiden auch über Straßen hinweg besser händeln. Nur mit Tieren aus Laufhöfen wäre das nicht möglich. Die Mischbeweidung mit Ziegen und Rindern führt zur Offenhaltung der Flächen. Durch die brombeerenlastige Flora kann es durch Sukzession schnell zur erneuten Überwaldung kommen. Ziegen fressen aber gerade Brombeeren und Büsche. Sie übernehmen so die Landschaftspflege, die anderweitig nicht zu leisten ist.
Stall mit überdachtem Laufhof
Der Ziegenstall mit einer Grundfläche von 240 qm hat wegen den extremen Schneemengen auf 860 m Höhe N.N. einen überdachten Laufhof und wurde 2015 fertiggestellt. Die Baukosten belaufen sich auf insgesamt 425.000 Euro inklusive der Techniken für Dachabsaugung, Heulüfter und Heukran. Dabei mussten die Gründung, die Zuwegung, der Brunnenbau, der Stromanschluss und anderes komplett neu erschlossen werden, weil der Untergrund sehr schlecht war und daher nur ein Platz mit Hanglage für den Stallbau in Frage kam. Allein der Tiefbau, eigentlich nur Streifenfundamente, kam auf 60.000 Euro. Mit allen Erdarbeiten für die Begründung kamen Kosten von 105.000 Euro zusammen. Auch für die Planung war Geld auszugeben, besonders für die Statik bei gegebener höchster Schneelast. Hinzukommt, dass in der Bauzeit nur eine geringe Eigenleistung möglich und der Maschinenring völlig ausgelastet war. Kosten von rund 70.000 Euro wurden weiter für eine große biologische Pflanzenkläranlage aufgewendet. Ein Kanalanschluss war in dem abgelegenen Tal nicht erreichbar.
Bildergalerie: Besondere Kennzeichnen des Ziegenstalls
Weitere Kennzeichen:
- Dem Geländeverlauf folgend, eine um 1,5 m erhöhte Heubergehalle mit zwei Öffnungen direkt zum Futtertisch zur Platzierung von Heu mittels Kran (der Kran wird auch zum Beschicken der Heutrocknung genutzt). Die Höhendifferenz zwischen Stall- und Heubergehalle bringt Licht in das Gebäudeinnere und dient der Entlüftung.
- Nutzung des Laufhofs auch als Warteraum vor dem Melkstand
- Mist-Abfuhr auf die weiter entfernten Mähflächen zwei Mal im Jahr durch Lohnunternehmer
- Einfache Eimer-Melkanlage (Erhaltung der Rohmilchqualität, Hygiene)
- Fertigstellung eines kleinen Hofladens und einer Bewirtung im Winter 2021/22
Qualitätsprodukte aus der Käserei
Dem Stall angegliedert ist eine Hofkäserei mit einer Verarbeitungskapazität von 100.000 Litern pro Jahr, dabei wurde auf Zuwachs geplant. Der Stall wurde so gebaut, dass er erweiterbar ist. Die Käserei wurde gleich in einer für die Zukunft nachhaltigen Größe errichtet. Um die Wirtschaftlichkeit zu verbessern, wird bereits derzeit Milch zugekauft. Diese stammt nicht von Ziegen, sondern von Milchvieh im Rahmen einer Mitgliedschaft in einer Demeter-Erzeugergemeinschaft. Der Transparenz der Produktion wird damit Rechnung getragen, dass das Produkt Ziegenkäse lediglich von Ziegen stammt, die auf den artenreichen Wiesen der Gegend weiden und entsprechende hochwertige Milch produzieren. Die Milchleistung der Ziegen ist allerdings mittelmäßig, da es den eher mageren Flächen an Eiweiß fehlt.
Es wurde in zwei Abschnitten gebaut, zunächst der Stall und dann die Käserei. In den Jahren ohne Käserei konnte die Fleischvermarktung aufgebaut werden, indem die Ziegen nicht gemolken, sondern als Mutterziegen eingesetzt wurden. Bei der guten Fruchtbarkeit von Ziegen und einer Geburtenrate von 1,7 Kitzen pro Muttertier, fallen bei 60 Mutterziegen jährlich um die 100 Kitze an. Bei dem Ziel von 20% Remontierung muss daher das Fleisch von 80 bis 90 Tieren jährlich vermarktet werden. Für viele Betriebe sei dies ein Problem, für Oliver Posts Betrieb nicht, da den ganzen Sommer über direkt vermarktet wird, nicht nur zu Ostern. Die Jungziegen sollen auch gerade die weiter entfernten Flächen pflegen, wo man mit den Milchziegen nicht hinkommt. Die Fleischvermarktung läuft mit einem Preis von 18 Euro/kg inklusive Knochen sehr gut.
Im Jahr 2020 wurde die Käserei in Betrieb genommen und die Palette auf ein paar wesentliche Produkte beschränkt, einen Schnittkäse, einen Hartkäse, der sich im Reifekeller entfalten kann und zusätzlich drei bis vier Sorten Frischkäse, einen Camembert und einen Lactic. Zur Herstellung aller Produkte wird Rohmilchkäse verwendet. Ziel ist es, die Produktpalette eher klein zu halten, dafür an der Qualität zu arbeiten. Aus Gründen des großen Arbeitsanfalls im Sommer, aber auch der winterlichen Ruhe und zur Erhöhung der Lebensdauer der Ziegen wird nicht ganzjährig durchgemolken.
Im Vorfeld des Projekts schaute Oliver Post viele Käsereien und Ställe an, was für den an sich fachfremden Architekten hilfreich war. Sehr lehrreich war die Besichtigung von Käsereien im Bregenzer Wald. Der plötzliche hohe Dampfanfall bei der Produktion und vor allem bei der Reinigung führt zu einer hohen Luftfeuchte. Sind aus hygienischen Gründen die Wände bis oben hin gefliest, schlägt sich Kondenswasser nieder und es entsteht in der Folge Schwarzschimmel, der einmal wöchentlich mit Chlorschaum beseitigt werden muss. Dieses Mittel sollte im Postschen Betrieb nicht zum Einsatz kommen, vor allem auch, um die Pflanzenkläranlage nicht zu gefährden. Durch diese Erkenntnis reiften andere Baulösungen: Die Wandbefliesung wurde auf 1,80 m Höhe reduziert. Auf der restlichen Wandoberfläche wurde sehr dicker (3 cm Stärke) Reinkalkputz aufgetragen. Durch die Pultdach-Konstruktion ergab sich zusätzlich ein sehr hoher Raum, dessen großes Luftvolumen viel Wasserdampf aufnehmen kann und dadurch Kondensation an der Wand verhindert wird.
Zusätzlich wurden in die Betondecke Heizschlangen miteingegossen, die den anfälligsten Bereich des Raums erwärmt (Betonkern-Aktivierung). Hierdurch wird Strahlungswärme (keine Konvektion) erzeugt und an der Decke Kondensation vermieden und in dieser Weise auch Schimmelbildung verhindert.
Auf Grund dieser Maßnahmen traute Oliver Post sich, in die Käserei Holzfenster einzubauen, die man sonst kaum sieht, aber bei seinem Projekt die Nachhaltigkeit unterstreichen. Er kann mit Heißwasser und ganz normalen seifigen, biologisch abbaubaren Mitteln reinigen. Desinfektionsmittel werden ausschließlich für die Hände und für eine Stiefelmatte eingesetzt, wie es per Gesetz vorgeschrieben ist.
Berichterstattung:
E. Hormes, K. Elbs, M. Müller
ZUM FACHVORTRAG
Ziegenstall mit Käserei (Kreuzthaler Bürgerstiftung, Kulturlandschaft Adelegg)
Referenten: Oliver Post - Landwirt in Adelegg und Konrad Knoll - AELF Weilheim
VERANSTALTER
- Arbeitsgemeinschaft Landtechnik und Landwirtschaftliches Bauwesen in Bayern e.V. (ALB)
- Bayerische Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (ÄELF)
Kooperationspartner
- Landeskuratorium der Erzeugerringe für tierische Veredelung in Bayern e.V. (LKV)
- BBV Landsiedlung GmbH, München
- BBA Baubetreuung GmbH, Amerang
Finanzielle Förderung
Die Online-Seminare erfolgen mit finanzieller Unterstützung durch das Bayerische Staatministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF).