5. Online-Seminar der sechsteiligen Seminarreihe "Bewässerungsmanagement" am 18. Februar 2021
BERICHT
Bewässerungs-App - Werkzeug zur Planung, Berechnung und Dokumentation der Bewässerung
Referent: Dr. Martin Müller - Arbeitsgemeinschaft Landtechnik und Landwirtschaftliches Bauwesen in Bayern e.V. (ALB), Freising
Anlässlich des fünften ALB-Online-Seminars zu Bewässerung ging es um die in Zusammenarbeit mit mehreren Institutionen entwickelte Bewässerungs-App, die Dr. Martin Müller, ALB, vorstellte. Moderator Daniel Pascal Klaehre, Gartenbaurefererent im Bayerischen Landwirtschaftsministerium, begrüßte hierzu das Online-Publikum aus dem deutschsprachigen Raum.
Das Interesse an der App ist groß. Obstbauern möchten die App haben, im Gemüsebau ist es wichtig, durch entsprechende kc-Werte weitere Gemüsearten einzubinden, Baumschüler fragen an, ab welcher Betriebsgröße sich die Bewässerungssteuerung per App lohnt. Längst ist die Informationstechnologie so weit fortgeschritten, dass sich potenzielle Nutzer sogar vorstellen können, "selbstgestrickte Änderungen" vorzunehmen - was ebenso möglich ist und durchaus sinnvoll sein kann. Müller rief dazu auf, sich bei der ALB zu melden, damit die unter www.alb-bayern.de/app frei nutzbare Entscheidungshilfe in neuen Bereichen gezielt weiterentwickelt werden kann. Eine wichtige Frage betraf die Integration von App-Daten in die betriebliche Schlagkartei, um Doppeleingaben zu vermeiden. Auch eine solche Schnittstelle ist im Rahmen der Weiterentwicklung geplant.
Die Grundlagen für die App wurden an der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) in Freilandversuchen zu Kartoffeln mit Tropfbewässerung erarbeitet. Entstanden ist 2014 eine Desktop-Anwendung, die ebenso auf mobilen Endgeräten nutzbar ist. Dies gelang bezeichnenderweise zeitlich parallel zur flächendeckenden Nutzung von Smartphones, die etwa 2010 begann. Besonders froh ist Klaehre über die Förderung eines Forschungsprojekts in Höhe von 1 Mio. Euro durch das bayerische Landwirtschaftsministerium. In dem Projekt werden ALB, HSWT, LWG und LfL eng zusammenarbeiten. Im Vordergrund steht nach sieben Jahren die gemeinsame Erweiterung, Verbesserung und Vereinfachung der App im Kontext einer ressourcenschonenden Bewässerung und einer angepassten Düngung.
Mülller berichtete zunächst über die Erarbeitung der Grundlagen der App. Dies fand von 2009 bis 2011 in LfL-Exaktversuchen auf Sand-, Lehm- und Tonböden statt. Hierzu wurde auf Praxisflächen Bewässerungs- und parallel auch Sensortechnik aufgebaut. Es wurde eine technische Lösung entwickelt mit der es möglich war, Bewässerungsmaßnahmen per Internet aus der Ferne auf drei jeweils ca. 150 km voneinander entfernten Standorten einzuleiten.
Die Versuche umfassten jeweils rund 20 Varianten, unterteilt in mehrere Teilversuche. Die pflanzenbauliche Bewässerungssteuerung, also die Abstufung der Bewässerungsmaßnahmen zwischen den Varianten wurde von Beginn an auf Basis einer eigens erstellten Excel-Anwendung umgesetzt. Nur damit war eine systematische Abstufung der Bewässerungsmengen realisierbar. Kontrolliert wurden die Maßnahmen in ausgewählten Varianten durch Sensormessungen. Ziel war es herauszufinden, wie man Tropfbewässerungstechnik zu Kartoffeln sinnvoll einsetzt, wie groß beispielsweise die Einzelwassergaben sein sollen und welche grundlegenden Zusammenhänge für die Entwicklung einer App ausschlaggebend sind.
Diese Faktoren beeinflussen den Wasserverbrauch / die Verdunstung
Anhand tiefergehender Informationen vermittelte Müller die Funktionsweise der Bewässerungs-App. Wasser wird verbraucht, wenn Verdunstung auftritt. Der Wasserverbrauch hängt zunächst vom Verdunstungsanspruch der Atmosphäre ab. Hierbei ist sehr viel Energie im Spiel. Wenn 1 Liter Wasser verdunstet, wird genausoviel Energie benötigt, wie gebraucht wird, um 5,5 Liter Wasser von 0 auf 100 °C zu erhitzen. Diese Energie wird über die Sonne zugeführt. Damit die Luft, die Pflanzenbestände umgibt, Wasser aufnehmen kann, darf sie nicht bereits mit Wasser gesättigt sein. Erforderlich ist ein Wasserdampfdrucksättigungsdefizit. Dabei kann wärmere Luft überproportional mehr Wasser aufnehmen als kältere Luft. So kommt die Temperatur als Einflussgröße ins Spiel. Wenn Wind an der Pflanzenoberfläche feuchte Luftpakete durch trockenere abtransportiert, erhöht dies zusätzlich die Verdunstung.
Die Ausprägung des Pflanzenbestandes beeinflusst die Verdunstung ebenso. Wie viel Wasser verdunstet wird, hängt ab von der oberirdischen Biomasse und damit von der Art sowie dem Entwicklungsstadium der jeweiligen Kultur, außerdem vom Wasser-Aneignungsvermögen durch das Wurzelwerk und der Wurzeltiefe.
Damit Wasser aus dem Boden aufgenommen werden kann, muss es für die Pflanzen verfügbar sein. Die Verfügbarkeit wird durch die Speichereigenschaften des jeweiligen Bodens bedingt. Grunsätzlich steht den Pflanzen die Frühjahrsbodenfeuchte zur Verfügung. Während der Vegetation kommen natürliche Niederschläge und Bewässerungsgaben hinzu.
Die Verdunstung von Wasser in Form von Transpiration über die Pflanzen ist gegenüber der Verdunstung tropfbar flüssigen Wassers auf einer freien Oberfläche, wie beispielsweise der Blattoberseite direkt nach Niederschlägen oder Beregnungsmaßnahmen, gedrosselt. Denn hierbei müssen drei Widerstände überwunden werden, wie in der Veröffentlichung über das erste Online-Seminar der ALB-Reihe im Vortrag von Müller nachzulesen ist (Widerstand bei Übergang von Pflanzengewebe zu Luft, Widerstand bei Übergang von Boden zur Wurzel, Widerstand durch zu überwindende Saugspannung auf Bodenwasser).
All diese Zusammenhänge sollen in der Bewässerungs-App situationsbezogen möglichst angemessen berücksichtigt werden.
Mit der App das Wasser im Boden bestimmen und gezielt bewässern
Die Bewässerungs-App ist ein webbasiertes Entscheidungssystem und konzipiert als interaktives Werkzeug zur Planung, Berechnung und Dokumentation von Bewässerungsmaßnahmen. Neben dem detaillierten Expertenmodus gibt es zum Einstieg bzw. für den schnellen Überblick als ergänzende Version einen im Nachhinein entwickelten deutlich vereinfachten Standardmodus. Beide haben einen modularen, erweiterbaren Aufbau, sind frei zugänglich, der Expertenmodus optional mit einem Nutzerkonto. Die App steht allen kostenfrei zur Verfügung.
Mit der Anwendung lassen sich das pflanzenverfügbare Bodenwasser bestimmen, der reale Wasserverbrauch von Freilandkulturen ermitteln und angeapsst an den Bedarf der Pflanzen gezielt bewässern. Bei Planungen können die am Betrieb verfügbaren Ressourcen und die Art der eingesetzten Technik berücksichtigt werden.
Die Systemkomponenten der App beinhalten die Grasreferenzverdunstung nach Penman-Monteith (FAO Irrigation and Drainage paper 56), kultur- und stadienspezifische Verdunstungsfaktoren (nach Geisenheim oder eigene Ableitung), das Wasser-Aneignungsvermögen der Pflanzen in Abhängigkeit des Bodenfeuchtegehalts im Wurzelraum, ein kultur- und bodenspezifisches Wurzelwachstumsmodell sowie ein Bodenwassermodell inklusive Sickerwassermodell. Zur Berechnung der Höhe einzelner Wassergaben wurde ein Einzelgabenmodell entwickelt.
Mit der Bewässerungs-App wird die reale Verdunstung (= tatsächlicher Wasserverbrauch) kalkuliert und auf Tagesbasis das pflanzenverfügbare Bodenwasser bilanziert. Als Ergebnis werden konkrete Bewässerungsmaßnahmen inklusive der Termine und der Höhe der Wassergaben empfohlen. Diese Vorschläge kann der Anwender übernehmen oder jeder Zeit korrigieren. Bei der Bilanzierung werden das pflanzenverfügbare Bodenwasser des Vortages und die von der Wetterstation täglich gemeldeten Niederschlagsdaten (besser: eigene Messdaten am Feld) und gegebenenfalls Bewässerungsgaben addiert sowie die berechnete Verdunstung sowie die berechneten Versickerungswerte abgezogen:
Bilanzierung des pflanzenverfügbaren Bodenwassers:
Bilanz [mm/Tag] = Niederschlag [mm/Tag] + Bewässerung [mm/Tag] - Verdunstung [mm/Tag] - Versickerung [mm/Tag](Formel 1)
So berechnet die App den Wasserverbrauch eines Pflanzenbestands
In einem ersten Schritt wird der Wasserverbrauch, die Grasreferenzverdunstung ET0 (FAO56) eines standardisierten 12 cm hohen Weidelgrasbestandes in Abhängigkeit der Witterung berechnet. Dies geschieht unter der Voraussetzung und grundlegenden Modellannahme, dass Wasser für die Verdunstung nicht limitierend ist. Damit diese Berechnung möglichst lokal funktioniert, können inzwischen sehr viele Wetterdaten verrechnet werden, von deutschlandweit 500 Stationen des deutschen Wetterdienstes (DWD), 140 bayerischen LfL-Stationen und neun Meteotest-Stationen in der Schweiz. Außerdem gib es für die Stationen von DWD und LfL historische Wetterdaten, meist der letzten 30 Jahre. Seit 2020 werden außerdem zum dem Parameter, der räumlich mit Abstand am stärksten schwankt, dem Niederschlag, in einem 1 km-Raster deutschlandweit hinterlegte Daten von mehr als 350.000 Radolan-Niederschlagsstationen des DWD importiert. Ab diesem Jahr wird zudem zur zuverlässigeren Planung die DWD-Wettervorhersage von 2.600 Stationen angeboten.
Ist die Grasreferenzverdunstung bekannt, lässt sich davon ausgehend im zweiten Schritt der Wasseranspruch über kulturartspezifische Faktoren, sogenannte kc-Werte, auf beliebige Pflanzenarten übertragen. Man erhält den Wasserverbrauch dieser Arten, erneut unter der Annahme, dass Wasser für die Verdunstung nicht limitierend ist. In der App sind zurzeit stadienspezifische kc-Werte von 28 Pflanzenarten / Kulturen hinterlegt. Sie werden im zeitliche Verlauf etwas geglättet, so dass es zu allmählichen Veränderungen in Abhängigkeit der Entwicklungsstadien kommt. Für Kartoffeln wurden die kc-Werte auf Grundlage von LfL-Versuchsergebnissen abgeleitet. Die Überprüfung fand anhand zurückliegender Versuchsergebnisse der Landwirtschaftskammer (LWK) Niedersachsen statt. Änderungen mussten nicht vorgenommen werden.
Für weitere landwirtschaftliche Kulturen wurden kc-Werte anhand historischer Ergebnisse aus Niedersachsen (Versuchsstandort Hamerstor) abgeleitet. Die Grundlage bildeten Versuchsvarianten ohne Bewässerung und mit Beregnung bei Bewässerungsschwellen von 50 % und 35 % der nutzbaren Feldkapazität (nFK). Für Gemüsearten wird mit den kc-Werten nach der Geisenheimer Steuerung gearbeitet.
Nach Schritt 2 wird also die reale Verdunstung (Evapotranspiration) beliebiger, optimal mit Wasser versorgter Pflanzenbestände abgeleitet:
ET(Kultur)opt = ET0 x kc-Wert (Formel 2)
Eine optimale Wasserversorgung ist natürlich häufig nicht der Fall. Gerade im landwirtschaftlichen Bereich macht es keinen Sinn, immer so intensiv zu bewässern, dass zu jeder Zeit eine optimale Wasserversorgung gewährleistet ist. Hierzu wäre in der Regel nicht ausreichend Wasser zur Verfügung, außerdem wäre es viel zu teuer. Deshalb wurde das Aneignungsvermögen der Pflanzen in die Berechnung einbezogen. Das Aneignungsvermögen ist abhängig vom Bodenfeuchtegehalt.
Der tatsächliche Wasserverbrauch entspricht dann dem Wasseranspruch multipliziert mit dem Aneignungsvermögen der Pflanzen:
Wasserverbrauch [mm/Tag] = Wasseranspruch [mm/Tag] x Aneignungsvermögen [%] (Formel 3)
Ist der Bodenwasserspeicher gut gefüllt (bis 65 % der nFK), sind die Pflanzen laut Modell vollständig in der Lage, das Wasser, das sie für die Verdunstung brauchen, aufzunehmen. Modellgemäß liegt das Aneignungsvermögen bei 100 %. Ab einem kalkulierten Feuchtegehalt von kleiner 65 % der nutzbaren Feldkkapazität sinkt das Aneignungsvermögen bei weiter zurückgehender Bodenfeuchte Zug um Zug bis auf 0 % (vollständig ausgetrockneter Boden). Bei der Ableitung dieser Beziehung aus historischen Ergebnissen der LWK Niedersachsen wurde deutlich, dass bereits früher, bei 65 % nFK, mit einem Rückgang des Aneignungsvermögens zu rechnen ist, als zuvor angenommen. Dies wurde für alle Böden in die App übernommen.
Über die Bewässerungsschwelle, die im System eingestellt wird, kann man konzeptionell den Wasserverbrauch eines Pflanzenbestands regulieren. Arbeitet man mit einer geringen Bewässerungsschwelle, wird der natürliche Bodenwasserspeicher stärker entleert und das Aneignungsvermögen reduziert sich. Hierdurch wird die Wasseraufnahme des Pflanzenbestands vermindert und damit auch die Verdunstung.
An einem heißen Sommertag hat ein leistungsfähiger Kartoffelbestand zur Blüte beispielsweise einen Wasseranspruch von 7,5 mm:
- Bodenfeuchte > 65 % der nFK 🠒 berechneter Verbrauch 7,5 mm
- Bodenfeuchte von 50 % der nFK 🠒 berechneter Verbrauch 5,8 mm
- Bodenfeuchte von 35 % der nFK 🠒 berechneter Verbrauch 4,0 mm
Aus pflanzenbaulicher Sicht bleiben geringe Bodenfeuchten nicht ohne Konsequenzen, weil sich das Pflanzenwachstum verlangsamt und die Risiken für Ertrags- und Qualitätsverluste steigen, siehe unten.
So berechnet die App die nutzbare Feldkapazität eines Anbausystems
Die nutzbare Feldkapazität (nFK) eines konkreten Anbausystems ergibt sich aus der nFK des Bodens multipliziert mit der Wurzeltiefe der kultivierten Pflanzenart:
nFK (Anbausystem) = nFK (Boden) x Wurzeltiefe (Kulturart) (Formel 4)
In der Bewässerungs-App werden unterschiedliche Bodenarten hinsichtlich ihrer nutzbaren Feldkapazität (nFK) in Vol.-% folgendermaßen eingestuft:
Tabelle 1: Einstufung der Bodenarten gemäß Bewässerungs-App
Bodenart | nFK / Vol.-% |
---|---|
leicht, Sand (S) | 9 |
leicht, schwach lehmiger Sand (lS) | 13 |
mittel, stark lehmiger Sand (llS) | 16 |
mittel, sandiger Lehm (sL) | 19 |
mittel, schluffiger Lehm (uL) | 22 |
schwer, toniger Lehm (tL) | 17 |
schwer, lehmiger Ton (lT) | 14 |
schwer, Ton (T) | 10 |
organisch, Moor (M) | 30 |
Diese Durchschnittswerte sind standardmäßig in der App hinterlegt. Leichte und schwere Böden haben eine deutlich geringere nFK als gute Lehmböden. Man kann die nFK aber separat noch einmal anpassen, weil sie zum Beispiel neben der Körnung des Bodens ebenso durch organische Substanz stark beeinflusst wird. Liegt im Boden eine Schadverdichtung vor, reduziert dies jedoch unabhängig von der Bodenart die nutzbare Feldkapazität.
Nach dieser Einteilung kann ein leicht toniger Sandboden mit einer nFK von 10 Vol.-% beispielsweise auf 10 cm Bodenmächtigkeit 10 mm Wasser pflanzenverfügbar speichern. Reichen Pflanzenwurzeln bis auf 60 cm Tiefe, ergibt sich daraus eine nFK des Anbausystems von 60 mm.
Weder in der Realität noch in der Bewässerungs-App ist die kulturartspezifische Wurzeltiefe eine fixe Größe. Bei Kartoffeln zum Zeitpunkt des Legens beginnt die Wurzeltiefe kalkulatorisch bei 20 cm. Es dauert 50 bis 60 Tage, bis eine maximale Wurzeltiefe von 60 cm erreicht wird. In der App können Anwender einstellen, ob sie eine besonders trockentolerante Kartoffelsorte einsetzen, die bis in eine Tiefe von 80 cm wurzelt. Er korrigiert in diesem Fall die maximale Wurzeltiefe nach oben. Hat jemand eine besonders wasserempfindliche Sorte, die viel weniger tief wurzelt, passt er die Wurzeltiefe nach unten an. Hierdurch verändert sich die nFK, also der pflanzenverfügbare Bodenwasserspeicher, mit dem die App rechnet.
Ebenso werden unterschiedliche Bodenarten bezüglich ihrer Durchfeuchtungszonen unter Tropfstellen in der Bewässerungs-App wie folgt eingestuft:
Tabelle 2: Einstufung der Bodenarten zu Durchfeuchtungszonen unter Tropfstellen (Tropfbewässerung) gemäß Bewässerungs-App
Bodenart | Ø Durchfeuchtungszone / cm |
---|---|
leicht, Sand (S) | 25 |
leicht, schwach lehmiger Sand (lS) | 30 |
mittel, stark lehmiger Sand (llS) | 35 |
mittel, sandiger Lehm (sL) | 40 |
mittel, schluffiger Lehm (uL) | 45 |
schwer, toniger Lehm (tL) | 50 |
schwer, lehmiger Ton (lT) | 55 |
schwer, Ton (T) | 60 |
organisch, Moor (M) | 45 |
Diese Einteilung ermöglicht es, auch Tropfbewässerungsanlagen über die Bewässerungs-App zu steuern. Bei leichten Böden wirkt die Schwerkraft auf das aus den Tropfern kommende Wasser dominierend, indem sie es nach unten zieht. Auf leichten Böden sind die Durchfeuchtungszonen daher relativ schmal, das Wasser sickert relativ schnell in die Tiefe. Je schwerer ein Boden ist, desto stärker wirken vor allem seitliche Kapillarkräfte und die Durchfeuchtungszonen werden breiter. Der größere Durchmesser dieser Zonen ermöglicht dann auch größere Wassergaben, weil der Anteil des durchfeuchteten Bodens dabei zunimmt. Mit zunehmender Schwere der Böden steigt die Durchfeuchtungszone systematisch von 25 auf 60 cm an.
So bemisst die App die Höhe einzelner Zusatzwassergaben
Auf Grundlage des jeweiligen Bewässerungsverfahrens, der Bodenart, der Durchwurzelungstiefe, der Bewässerungsschwelle, aber auch der nutzbaren Feldkapazität (nFK) wird mittels App die maximale Höhe von Einzelwassergaben berechnet (freier pflanzenverfügbarer Bodenwasserspeicher / Einzelgabenmodell), und zwar in der Weise, dass die Einzelgaben im Wurzelbereich gerade noch vollständig von den Pflanzen aufgenommen werden können und kein Sickerwasser entsteht. Am Beispiel eines Sandbodens mit einer für Pflanzen verfügbaren Wasserspeicherkapazität (nFK) von 10 Vol.-% und einer Bewässerungschwelle von 50 % der nFK, also wenn der Bodenwasserspeicher zur Hälfte entleert ist, zeigte Müller die Berechnung von Einzelgaben auf. Beim Beregnen wird der Boden flächig von oben nach unten durchnässt. Wenn ein Bereich des Bodens übersättigt ist, sickert das Wasser in die nächst tiefere Zone. Bei einer nFK von 10 Vol.-%, einer Wurzeltiefe von 60 cm (etwa zum Zeitpunkt der Kartoffelblüte) kann der Boden 60 mm pflanzenverfügbares Wasser aufnehmen. Bei einer Schwelle von 50 % der nFK entspräche dies einer Einzelwassergabe von 30 mm.
Im Beispiel mit einer Tropfbewässerung im Dammkronenverfahren (DKV) liegen die Schläuche im Abstand von 75 cm. Auf Sandböden setzt man sinnvollerweise Tropfschläuche mit einem Tropferabstand von 30 cm ein, weil dies in etwa dem Durchmesser der Durchfeuchtungszonen entspricht. Dann wird ein Drittel des Bodens als pflanzenverfügbarer Bodenwasserspeicher genutzt. Demzufolge darf nach Müller die Einzelwassergabe nicht mehr als 9 mm betragen.
Bei Tropfbewässerung im Zwischendammverfahren als drittem Beispiel verringert sich die Anzahl der Tropfschläuche und damit die Anzahl der Tropfstellen pro Quadratmeter auf die Hälfte. Außerdem liegen die Schläuche deutlich tiefer. Die Wurzeln reichen nur noch 45 cm unterhalb der Schläuche. Entsprechend reduziert sich, so Müller, die mögliche Höhe von Einzelwassergaben auf maximal 3,5 mm. In jedem Fall führen zu hohe Einzelgaben unmittelbar zu Sickerwasserbildung, die es dringend zu vermeiden gilt.
So funktioniert die App digital und so werden Ergebnisse dargestellt
Zunächst wird der Wasserverbrauch auf Grundlage der berechneten Verdunstung ermittelt. Der Nutzer kann dann einen gerade noch tolerierbaren Bodenfeuchtegrenzwert, das heißt die Bewässerungsschwelle, frei festlegen. Der Bewässerungsstart wird erst empfohlen, wenn die eingestellte Bewässerungsschwelle unterschritten ist. Die empfohlenen Gabenhöhen werden stets abgestimmt auf freie Speicherkapazitäten im Wurzelraum. Dadurch dass in der App historische Wetterdaten hinterlegt wurden, lassen sich mit ihr rückblickend betriebsspezifische Konzepte systematisch planen und erstellen. So sind zum Beispiel Abstimmungen auf vorhandene Kapazitäten des Betriebs im Hinblick auf verfügbare Wasserrechte möglich. Sowohl eine graphische wie auch tabellarische Darstellung der Ergebnisse bei flexibler Ergebnisauswahl sind wählbar.
Die Benutzeroberfläche der App basiert auf Google-Grafiken und besteht aus mehreren Menüpunkten mit Auswahlfenster. Die Menüpunkte lassen sich der Ordnung halber alle einklappen oder beliebig ausfahren. In den Auswahlfenstern nimmt der Nutzer die beabsichtigten Einstellungen der standortspezifischen Situationen vor. Anhand einer Witterungserwartung können die nächsten Tage geplant werden. Sie ist nach eigenem Ermessen einstellbar. Ab 2021 stehen als Alternaitve auch Wettervorhersagen des Deutschen Wetterdienstes (DWD) zur Verfügung. Wer mit vorhergesagten Niederschlägen planen will, muss sie explizit von Hand anwählen. Denn Niederschläge werden als Voreinstellung standardmäßig deaktiviert, weil im Sommer einfach das Risiko einer großflächigen Vorhersage von Niederschlägen besteht, die dann aber bei Gewitter nur lokal fallen.
Neu umgesetzt wurde im Expertenmodus mit Registrierung eine Schlagliste. Man bekommt alle angelegten Schläge übersichtlich dargestellt und kann die konkreten Inhalte unter 15 Punkten frei zusammenstellen. Das Ganze wird gekoppelt mit einem E-Mail-Warndienst bei anstehenden Bewässerungsmaßnahmen. Mittels Exportfunktion können Praktiker eine Gesamtliste der Bewässerungsmaßnahmen im Hofcomputer für ihre Excel-Anwendung nutzen.
Die Möglichkeiten der Steuerung konreter Bewässerungsmaßnahmen sind umfangreich. Sie umfassen die Bewässerungsschwelle, den Mindesstabstand zwischen zwei Maßnahmen, den Start und das Ende von Bewässerungsperioden, die Höhe der Einzelwassergaben und vieles mehr.
Die Bewässerungs-App wurde entwickelt zur Umsetzung einer Defizitbewässerung. Zu den Stellgrößen zählt beispielsweise die Einstellmöglichkeit von Bewässerungsschwellen. Allerdings sollte man sich der Folgen einer Senkung von Bewässerungsschwellen bewußt sein, die über die bereits erläuterten Effekte bezüglich Wassersparen weit hinaus gehen.
Folgen einer Senkung der Bewässerungsschwelle:
- Durchschnittliche Bodenfeuchte sinkt
- Wasser-Aneignungsvermögen durch die Pflanzen sinkt
- Wasseraufnahme sinkt
- Bewässerungsaufwand (= Summe Zusatzwassermenge) sinkt
- Verdunstung bzw. Wasserverbrauch sinken
- Pflanzenwachstum verlangsamt sich
- Qualitätsrisiko (Ausnahme Weinbau u.ä.) und Ertragsrisiko steigen
- Risiko eines Totalausfalls der Ernte bei empfindlichen Kulturen (Gemüse) steigt
- Wasserspeichervermögen der Böden für Starkniederschläge steigt
- Versickerung sinkt
- Auswaschungsgefahr von Nährstoffen während der Bewässerungsperiode sinkt
- (Rest-)Bodenfeuchte zu Vegetationsende sinkt
Ausblick
Weiterentwickelt wird die Bewässerungs-App durch die ALB in Zusammenarbeit mit LWG, HSWT, LfL und weiteren Partnern. Beispielsweise ist ein Dokumentationsmodul vorgesehen, mit dem mobil Niederschläge dokumentiert werden können, ebenso Bewässerungsmaßnahmen am Feld, Wasserentnahmen und Brunnenspiegel. Auch soll ein Entwicklungsstadiumsmodul geschaffen werden, bei dem Anwender zukünftig nur das erste Stadium einer Kultur angeben müssen und das Erreichen aller weiteren Stadien berechnet wird. Das Ziel des Projekts ist es, die Bewässerungs-App mit Hardware für vollautomatische Bewässerungslösungen zu koppeln.
Grundsätzlich ist geplant, so Müller, die Bewässerungs-App stark auszuweiten. Er könne sich vorstellen, in fünf Jahren die Bewässerung in etwa 60 verschiedenen Pflanzenarten mit der App steuern zu können, auch "Mischkulturen", auf einem Schlag eng bei einander liegende Bestände unterschiedlicher Arten, wie es im Gemüsebau häufiger vorkommt. "Wenn jemand auf uns zukommt und nach Berechnungen für eine spezielle Kultur fragt und kann sich fachlich mit seinen Erfahrungen einbringen, dann starten wir diese Weiterentwicklung", sagte Müller abschließend. Bis zum Mai 2021 werden auf jeden Fall alle Kulturen aufgenommen, für die es in der Geisenheimer Steuerung kc-Werte gibt. Das heißt, es kommen weitere zehn bis 15 Gemüse-Kulturen hinzu. Derzeit werden Obstbau-Fachleute gebeten, sich zu melden, damit die Bewässerungs-App auch in dieser Sparte aufgebaut werden kann.
Berichterstattung:
Elke Hormes - Freie Fachjournalistin und
Dr. Martin Müller - Geschäftsführer ALB
ZUM FACHVORTRAG
Bewässerungs-App - Werkzeug zur Planung, Berechnung und Dokumentation der Bewässerung
Referent: Dr. Martin Müller - Arbeitsgemeinschaft Landtechnik und Landwirtschaftliches Bauwesen in Bayern e.V. (ALB), Freising
VERANSTALTER
- Arbeitsgemeinschaft Landtechnik und Landwirtschaftliches Bauwesen in Bayern e.V. (ALB)
- Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT)
- Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG)
Kooperationspartner
- Bayerische Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (ÄELF), stellvertretend AELF Landshut mit Gartenbauzentrum Bayern Süd-Ost
- Landeskuratorium für pflanzliche Erzeugung in Bayern e.V. (LKP)
Finanzielle Förderung
Die Online-Seminare erfolgen mit finanzieller Unterstützung des Bayerischen Staatministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF).