Dienstag, 19. März 2024
Arbeitsgemeinschaft Landtechnik und Landwirtschaftliches Bauwesen in Bayern e.V.

Landwirtschaft in Südtirol

ALB-Lehrfahrt vom 02. bis 04. Mai 2019

Ein Reisebericht von K. Elbs und Dr. M. Müller, ALB Bayern e.V.

Dieses Jahr nahmen 31 Personen an der ALB-Lehrfahrt teil. Das Programm führte uns zu besonders innovativen Betrieben in Südtirol mit Kompostierungsstall, Mutterkuhhaltung, Biogas mit Gärrestaufbereitung, Obst, Wein, Kräuter sowie einem vollautomatischen Schau- und Entwicklungsstall nahe Kufstein. Bei mehreren Betrieben bestand die Innovation gleichermaßen in der Produktionsweise, der Spezialität der Erzeugnisse sowie den besonderen Vermarktungswegen.

1. Tag

Wir starteten um 6.00 Uhr in Freising. Einige der Teilnehmer stiegen am Irschenberg zu.

1. Station: Kompostierungsstall bei Sterzing

Als erstes wurden wir vom Betriebsleiter eines Milchviehbetriebes mit Kompostierungsstall empfangen. Der Betrieb befindet im Tal und verfügt nach Angaben des Leiters über Gunstlagen (900 Meter über Meeresspiegel, 800 mm Jahresniederschlag). Bewirtschaftet werden etwa 40 ha Futterfläche, davon 20 ha Mais, außerdem bestehen Dauergrünland, Wechselwiese und Luzerneanbau. Zudem gehören zu dem Betrieb 50 ha Wald.

Vor wenigen Jahren wurde ein Kompostierungsstall für 120 Milchkühe gebaut (8 m² Liegefläche + 4 m² Lauffläche am Futtertisch). Der Betrieb hat bei 4,0 % Fett, 3,5 % Eiweiß und 3,0 Laktationen pro Kuh eine durchschnittliche Milchleistung von 10.000 kg / Tier und Jahr. Die Bestandsergänzungrate liegt aktuell bei 17 % und wird sich voraussichtlich noch weiter senken lassen.

Der Betrieb verfügt über ein Heulager mit Belüftung und Luftbeheizung (Hackschnitzelanlage). Für Heumilch werden aktuell 0,63 € / kg Milch erzielt.

Im Herbst räumt der Betrieb den Kompost aus dem Stall heraus und beginnt dann mit einer neuen Einstreu, bestehend aus 20 cm Waldhackgut (Hackschnitzel sind zu teuer!) und etwas Sägespäne. Der fertige Kompost wird auf die umliegenden, leichten Flächen ausgebracht und verbessert die Bodenfruchtbarkeit, insbesondere das Wasserhaltevermögen der Böden.

Durchmischt wird die Einstreu morgens und abends mittels Ackerfräse. Im Winter wird einmal pro Woche nachgestreut, im Sommer seltener. Zur Förderung des sogenannten Heißrotteprozesses werden zur Einstreu Dinkelspelzen aus Bayern beigemischt. Im Kern der Kompostmatratze liegt die Temperatur während der Rotte bei etwa 50 °C, an der Oberfläche bei ca. 25 °C. Allerdings machen Dinkelspelzen dem Landwirt zufolge Probleme bzgl. der Tragfähigkeit der Lauffläche. Diese wird schnell zu weich, was beim Laufen dann zu tiefem Einsinken der Tiere führt - eine zusätzliche Beimischung von etwas fein gehäckseltem Stroh wirkt dem entgegen.

Wesentliche Vorteile des Kompostierungsstalls aus Sicht des Landwirts sind:

  • Freier Kuhverkehr
  • Klauengesundheit
  • Sicherer Halt und keine Abkalbeprobleme (Trockensteher, abkalbende Kühe, frischkalbende Kühe)

Nachteile aus Sicht des Landwirts:

  • Höherer Flächenbedarf / Kuh
  • Höhere Baukosten
  • Höhere Kosten für die Einstreu (150 € / Kuh und Jahr; 13 € / m³ Waldhackgut, 17 € / m³ Sägespäne)

Offensichtlich waren das große Wohlbefinden der Tiere und die gute Stallluft!

Der Betrieb belieftert insbesondere das Hotel mit Restaurant auf der gegenüberliegenden Straßenseite, das der Schwester gehört. Dort wartete bereits das Mittagessen auf uns.

2. Station: Biogas Wipptal GmbH

Am Nachmittag besuchten wir die Biogas Wipptal GmbH, eine Biogasanlage mit Gärrestaufbereitung bei Sterzing. Der Geschäftsführer und der Betriebsleiter begrüßten uns und erzählten, wie es zu dem Anlagenkonzept kam. Im Wipptal wirtschaften über 350 Milchviehbetrieb an Steilhängen und im Tal. Sie liefern ihre Milch an den Milchhof Sterzing und erzielen gute Preise. Allerdings liegt der Viehbesatz dieser Höfe zum Teil deutlich über 2,5 GV/ha, was in der Region zu massiven Gülleüberschüssen führt.

Die Biogas Wipptal GmbH übernimmt in der Region den Dunganfall vieler Höfe und vergärt diesen unter Ausschluss von Sauerstoff. Die Höfe erhalten den Anteil an vergorener Gülle zurück (Biogasgülle oder Konzentrat), den sie für die bedarfsgerechte Düngung ihrer Wiesen und Felder benötigen. Dabei organisiert der Betreiber das Einsammeln der Rindergülle, ebenso wie den Rücktransport und die Ausbringung des Gärrests. Ausschließlich Rindergülle wird angenommen und verarbeitet, keine Energiepflanzen. Für die Landwirte fallen bei dieser Vorgehensweise keinerlei Kosten an.

Im Gegenzug wird der Biogas Wipptal GmbH die überschüssige Rindergülle von den Landwirten kostenlos überlassen. Die Gülle wird zu marktfähigen Düngerprodukten verarbeitet.

2013 startete man nach langen Planungen mit dem Bau einer 1-MW-Biogasanlage mit Gärrestaufbereitung. 2017 wurde diese dann fertiggestellt. Etwa 25.000 t Festmist und 45.000 t Gülle werden mit selbstfahrenden Transportfahrzeugen auf den Höfen der Gesellschafter eingesammelt. In der Biogasanlage werden die Wirtschaftsdünger vergoren, das entstehende Gas wird in Strom und Wärme umgewandelt. Etwa die Hälfte des Gärrestes wird zu den Landwirten zurückgebracht und dort ausgebracht. Die andere Hälfte des Gärrestes wird zunächst mechanisch mit einem Pressschneckenseparator und einem Vibrationssieb getrennt, die flüssige Phase wird in einem 3-stufigen Umkehrosmoseverfahren zu vorfluterfähigem Wasser aufbereitet und in den Fluss Eisack eingeleitet.

Die feste Phase aus der Separierung wird getrocknet, zerkleinert und zu Dünger pelletiert. Den Pellets zugesetzt werden weiterhin die Konzentrate aus der Umkehrosmose. Die Pellets stellen einen Mehrnährstoffdünger mit hohem Gehalt an organischer Masse dar und werden zur Düngung im Wein- und Obstbau verwendet sowie an den Endverbraucher verkauft.

3. Station: Demeter Obstbaubetrieb in Vahrn bei Brixen

Anschließend besuchten wir einen Demeter Obstbaubetrieb, der die bio-zertifizierten Gärreste der Bigoas Wipptal GmbH auf seinem Betrieb als Dünger verwendet. Die Lieferung erfolgt per LKW, 30 m³ kosten rund 500 €. Die Zwischenlagerung erfolgt in der hofeigenen Grube. Die Düngung der Obstbäume geschieht im Frühjahr mit Kompost und mit Güllekonzentrat im Herbst. Verabreicht werden dann 20 m³/ha, was einer N-Gabe in Höhe von rund 20 kg/ha entspricht.

Zum Frostschutz im Frühjahr arbeit der Betrieb mit einem zapfwellenbetriebenen Rotor, womit sich die Luft in Hanglagen umwälzen lässt. Zur Frostschutzberegnung fehlen die Wasserrechte. Während der Hauptvegetetation reichen die Wasserrechte aus, um die natürlichen Niederschläge in Höhe des Bedarfs zu ergänzen. Der Wasserbedarf der Apfelbäume liegt im Schnitt bei 4 bis 5 Millimeter pro Tag (= 4 bis 5 Liter je Quadratmeter pro Tag).

Entlang der Baumreihen werden alle fünf Jahre harzhaltige Nadeln gestreut. Diese haben eine stark herbizide Wirkung und unterdrücken Unkraut. Zwischen den Baumreihen wird einmal pro Jahr gemulcht. Das ist ausreichend und schont die Bodentiere, insbesondere Nützlinge wie die Ringelnatter.

Vorwiegend zum Eigenbedarf erzeugt der Landwirt Südtiroler Speck von freilaufenden Schweinen.

Nach einer kurzen Busfahrt erreichten wir das Hotel Grüner Baum im Zentrum von Brixen, wo es dann nach dem Einchecken zum Abendessen ging.

2. Tag

4. Station: Bergbauernhof mit Mutterkuhhaltung in Villanders

Der Landwirt hat seine Hofstelle und die überwiegenden Flächen in Hanglage und führt seinen Betrieb im Nebenerwerb. Er gehört zu einer Gruppe von etwa 20 Südtiroler Bergbauern (Genossenschaft BioRegio), die Mutterkuhhaltung nach Richtlinien des biologischen Landbaus betreiben. Sie vermarkten das Fleisch unter der Marke BioBeef.

Die Genossenschaft wurde im Jahr 2003 von Landwirten gegründet. 2008 wurde auf biologische Erzeugung umgestellt. Ziel ist die Produktion von Biojungrindfleisch mit direkter Vermarktung. Die Kälber bleiben bis zur Schlachtung bei der Mutter. Geschlachtet wird im Alter von 9 bis 12 Monaten, nachdem die Tiere ein Gewicht von mindestens 180 kg erreicht haben. Vermarktet wird das gesamte Jungrind, überwiegend an Haushalte in der Region, in Form von vakuumierten Fleischmischpaketen (7 bis 9 kg). Die Schlachtung inkl. Zerlegen und Zusammenstellen der Paktete erfolgt durch den Schlachthof Bozen. Dieser ist biozertifiziert.

Die Rinder erhalten ausschließlich hofeigenes Futter. Von Mitte Mai bis Anfang August (etwa 85 Tage) sind sie auf der Alm. Es besteht ein Silagefütterungsverbot. Der Zukauf von Futter ist nur in Aussnahmefällen möglich (z.B. nach Dürrejahren) und erfordert eine Sondergenehmigung durch den Vorstand der Genossenschaft. Lediglich der Zukauf von Mineralfutter + Vitaminen ist in begrenztem Umfang gestattet. Allgemeinhin besteht die Empfehlung, eine gewisse Zeit vor der Schlachtung den Tieren kein frisches Gras mehr zu verabreichen, dieses färbt das Fett gelb. Allerdings halten sich die Bergbauern nicht daran; von Seiten der Kunden kamen bisher keine Beschwerden.

Die Kunden loben die gute Fleischqualität und den Geschmack. Es überwiegen Stammkunden. Zu diesen gehören vor allem private Haushalte aber auch Restaurants, Hotels und Mensen.

Die Genossenschaft organisiert für ihre Mitglieder auch Weiterbildungen, z.B. die Beurteilung der Tiere - wann haben diese eine ausreichende Fettabdeckung, das ist wichtig für die Qualität und die Vermarktung.

Auf angrenzenden Grünlandflächen wird die Gülle mittels einer Beregnungsanlage ausgebracht. Hierbei kann mit Wasser verdünnt werden. Das vermeidet Verätzungen an den Blättern und fördert das Eindringen in die Böden.

5. Station: Obsthof Troidner in Unterinn

Bei der Führung durch die Obstgärten und die Verarbeitungshalle erfuhren wir, dass die Äpfel, die auf über 900 m NN wachsen, Bergäpfel genannt werden dürfen. Daraus werden auf dem Obsthof Troidner sortenreine Bergapfelsäfte hergestellt.

Aktuell erzeugt der Betrieb insgesamt acht unterschiedliche Säfte mit jeweils individueller charakteristischer Geschmacksrichtung. Für höchste Qualität wird auf kleinen Bäumen produziert. Diese werfen weniger Schatten, was die Aromabildung begünstigt. Erntezeit ist von August bis November. Nur vollreifes Obst wird gepresst. Die Ernte erfolgt daher in zwei bis drei Durchgängen. Fallobst wird nicht verwertet.

Nach dem Aussortieren von Mangelware erfolgt eine besonders schonende Verarbeitung. Die Säfte werden durch Pasteurisierung haltbargemacht, indem für kurze Zeit auf 80 °C erhitzt wird. Anschließend wird in Flaschen abgefüllt (0,2 Liter bis 1,0 Liter). Zur Vergrößerung der Angebotsvielfalt werden die Apfelsäfte teilweise mit anderen Früchten gemischt (Cuvée). Die Säfte werden im Hofladen und online verkauft und außerdem in gehobenen Restaurants der Region als alkoholfreie Alternative zum Wein angeboten.

Im Anschluss an die Betriebsbesichtigung gab es Mittagessen in einem nahegelegenen Buschenschank.

6. Station: Stadtrundgang durch Bozen

Bei einer Stadtführung durch Bozen (Landeshauptstadt Südtirols) erfuhren wir genaueres über den Waltherplatz, den Kornplatz mit dem Waaghaus, die Lauben und dem Obstmarkt.

Die reiche und wechselvolle Geschichte der Stadt lässt sich gut an den architektonischen Stilen ablesen: Das mittelalterliche Zentrum, der Jugendstil der endenden Doppelmonarchie Österreich-Ungarn (K&K-Monarchie - kaiserlich und königlich) und der Neoklassizismus der Mussolini-Diktatur wechseln sich mit modernen Fassaden ab.

Am Anschluss an die Stadtführung blieb noch etwas Zeit die Stadt auf eigene Faust zu erkunden.

7. Station: Weingut Brigl in Eppan

Das Weingut Brigl wird in der 32. Generation geführt und ist damit die älteste Privatkellerei in Südtirol. Die Trauben werden auf 4 Höfen erzeugt. Weißweine liegen im Trend. 2018 waren 60 % der in Südtirol erzeugten Weine Weißweine.

Die Lagerung erfolgt zum Teil in handgearbeiteten Eichenfässern aus Frankfreich. Die Fässer können lediglich für drei Füllungen genutzt werden, ohne dass es den Geschmack negativ beeinflusst. Die erste Füllung entwickelt ihren Geschmack innerhalb von 6 Monate, die zweite innerhalb von 8 bis 12 Monaten, die dritte Füllung benötigt etwa 2 Jahre. Die optimale Lagerfeuchte beträgt 85 %. Der Gewölbekeller liegt in 8 Meter Tiefe und es gibt keine jahreszeitlichen Temperaturschwankungen.

Große Fässer mit einer Füllmenge zwischen 50 und 70 Hektoliter können bei richtiger Pflege und Reinigung bis zu 200 Jahre genutzt werden. Gereinigt wird mit Wasser, Bürste, und - zur Entfernung des Weinsteins - mit dem Hammer. Der Weinstein wird für pharmazeutische Zwecke, zur Erzeugung kostmetischer Produkte und zum Backen vermarktet.

Südtiroler Wein gehört jung und frisch getrunken!

Nach einer Führung durch die Gewölbe und den Barriquekeller gab es eine Weinverkostung mit fünf Weinen und dazu eine Brettljause mit Südtiroler Spezialitäten.

3. Tag

8. Station: Südtiroler Kräuterschlössl in Latsch

Die Tochter des Drei-Generationen-Familienbetriebes begrüßte uns mit einem Kräutertee und Informationen zum Anbau von Biokräutern. In der Region befinden sich mehrere intensiv wirtschaftende Obstbaubetriebe. Um den daraus resultierende Eintrag von Pflanzenschutzmitteln - bedingt durch Windabdrift - auf den eigenen Flächen zu begrenzen, wird im Freiland unter Folientunneln angebaut. Die Installation von Wassersprühnebelwänden war hingegen nicht ausreichend.

Der Betrieb entwickelt sich kontinuierlich weiter und testet hierbei immer wieder neue Produktions- und Vermarktungswege. Neben den Kräutern werden auch Früchte und Honig erzeugt und diese, teilweise gemeinsam mit Partnern, zu verschiedenartigen Erzeugnissen weiter verarbeitet: z.B. Fruchthonig, Kosmetika und (Schokolade-)Nudeln. Auch die Vermarktung erfolgt sehr produktspezifisch. Es gibt einen Hofladen der 7 Tage in der Woche geöffnet hat, und außerdem einen Online-Shop.

Besucher können sich am Betrieb in Schaugärten erholen, und dort mit betriebseigenen Produkten Picknick machen.

Bei einem Rundgang konnten wir die umliegenden Anbauflächen (Beete), den Trockenraum und die Erlebnis-Schaugärten besichtigen.

Nach dem Besuch des Kräuterschlössls fuhr uns der Bus über den Reschenpass (auf 1507 m) zum Stift Stams, wo die Gruppe ihr Mittagessen einnahm.

9. Station: Schau- und Entwicklungsstall der Fa. Hetwin

Josef Hetzenauer (Gründer und Eigentümer der Firma Hetwin) führte uns durch den vollautomatischen Stall mit Fütterungsroboter, Futterschieber, Einstreuroboter, automatischem Melksystem, Spaltenroboter, Rinderdusche, Kälbertränkeautomat und Kraftfutterautomat.

Die ersten Entwicklungen machte Hr. Hetzenauer, der in den 90-er Jahren Maschinenbau studiert hat, für seinen eigenen Landwirtschaftsbetrieb. Anschließend fertigte er auch für Landwirte in der Region. Heute beschäftigt die Firma rund 30 Mitarbeiter und konzentriert sich hierbei vor allem auf die Entwicklung und die Vermarktung. Die eigentliche Produktion erfolgt überwiegend in Zusammenarbeit mit Partnerfirmen außerhalb der Region Kufstein.

Mit einem kurzen Zwischenstop am Irschenberg machten wir uns wieder auf die Rückreise nach Freising.

Kartenübersicht

Wir bedanken uns bei allen Teilnehmern für Ihr Interesse und hoffen, es hat Ihnen gefallen!

Ihr Team der ALB Bayern e.V.


Die Durchführung der Lehrfahrt erfolgte in Zusammenarbeit mit dem Veranstalter "ReiseService Vogt".